Dalli-Klick und Suchbild
Im ersten Tagebucheintrag erläutere ich die Hintergründe des Projekts C4C, in dem wir ScratchJr in einer 2. Grundschulklasse einsetzen, um mit den Kindern an verschiedenen Lernzielen zu arbeiten.
In diesem Beitrag beschreibe ich den Ablauf der neunzehnten Stunde.
Einleitung
In der neunzehnten Stunde, die wir von vorneherein als Doppelstunde konzipieren, wollen wir die Klasse in zwei Gruppen aufteilen. Eine Gruppe soll das Spiel Dalli-Klick programmieren, die andere Gruppe soll ein Suchbild, auf dem Fehler versteckt sind, programmieren. Beide Programme bereiten wir auf dem Lehrernotebook vor. Die Ergebnisse der Aktivitäten der Kinder wollen wir bei einem Schulfest Mitte Mai auf einem ScratchJr-Stand präsentieren. Besucher des Schulfestes, insbesondere Kinder anderer Klassen sollen dann Gelegenheit erhalten, die Spiele vor Ort auszuprobieren. Unsere Kinder sollen am Stand zugegen sein und sowohl Spielideen und ggf. auch die Programmierung erläutern.
Dass wir die Klasse in zwei Gruppen aufteilen ist in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass wir bis zum Schulfest eine möglichst vielfältige Sammlung verschiedener Arbeitsergebnisse präsentieren wollen. Ohne das nahe Schulfest hätten wir die einzelnen Spielideen auch gut jeweils mit der ganzen Klasse realisieren können, was dann auch durch eine auf sich alleine gestellte Lehrperson beherrschbar gewesen wäre.
Ablauf der heutigen Stunde
Der geplante Ablauf der heutigen Stunde ist wie folgt:
- Wir beginnen mit einer Einteilung der Klasse in zwei Gruppen.
- Die erste Gruppe (Dalli-Klick) geht für 20 Minuten mit mir auf den Schulhof und fotografiert mit den Tablets zu erratende Motive (Spielgerüst, Schaukel, …)
- Die zweite Gruppe bleibt im Klassenraum und erhält vom Lehrer eine Einführung in die Programmierung des Suchbild-Spiels.
- Nach 20 Minuten geht die Suchbild-Gruppe in einen Nebenraum und beginnt mit der Arbeit. Die Dalli-Klick-Gruppe kehrt zurück in den Klassenraum und erhält von mir eine Einführung in die Programmierung des Dalli-Klick-Spiels.
- Danach beginnt auch die Dalli-Klick-Gruppe mit der Arbeit.
- Kurz vor Ende der Doppelstunde sollen sich Vertreter jeder Gruppe jeweils in Kleingruppen ihre bisherigen Arbeitsergebnisse gegenseitig präsentieren.
Das Suchbild-Spiel
Das Suchbild-Spiel präsentiert sich für den Benutzer wie folgt: Zwei Tablets zeigen ein auf den ersten Blick identisches Bild. Bei genauem Hinsehen kann man jedoch Unterschiede entdecken. Auf dem zweiten Tablet sind zusätzliche Figuren abgebildet, die auf dem ersten Tablet nicht existieren. Der Spieler tippt die “Fehler” an, die daraufhin verschwinden. Wenn der Spieler alle Fehler gefunden hat, belohnt das Spiel den Spieler mit einer Glückwunschnachricht.
Die Kinder der Suchbild-Gruppe arbeiten jeweils in Paaren zusammen. Jedes Paar erstellt zunächst zwei identische Bilder auf den beiden Tablets. Danach fügen die beiden Kinder auf einem der beiden Tablets Fehler hinzu. Jeder Fehler soll so programmiert werden, dass die entsprechende Figur verschwindet und einen Fehlerzähler mit einer Nachricht versorgt (vgl. Seepferdchen-Zähler im Aquarium-Spiel). Alle anderen Figuren der Szene reagieren nicht auf Antippen. Wenn der Fehlerzähler den Zielwert erreicht, ist ein Bildwechsel zu programmieren.
Zur Unterstützung erhalten die Kinder das folgende Arbeitsblatt (hier zum Download):
Das Dalli-Klick-Spiel
Der Benutzer des Dalli-Klick-Spiels spielt mit einem Tablet. Er sieht viele nebeneinander angeordnete rechteckige “Karten”, die ein dahinter liegendes Foto vollständig verdecken. Der Spieler kann nun einzelne Karten durch Antippen umdrehen. Der Blick auf das Foto wird von Karte zu Karte vollständiger. Der Spieler muss raten, welches Motiv das Foto zeigt. Hat der Spieler das Motiv geraten, kann er alle restlichen Karten durch Betätigung eines roten Bedienelements auf einmal aufdecken. Mit einem blauen Bedienelement gelangt der Spieler zu einem zweiten, etwas schwierigeren Level mit einem neuen Foto, das durch eine größere Anzahl kleinerer Karten verdeckt wird.
Die Kinder der Dalli-Klick-Gruppe erhalten zur Unterstützung das folgende Arbeitsblatt (hier zum Download):
Durchführung und Erfahrungen “Dalli-Klick”
In der Dalli-Klick-Gruppe habe ich mehrere Ausdrucke von Screenshots des laufenden Spiels vorbereitet (s. Foto). Das erste Blatt zeigt alle Karten verdeckt. Jedes weitere Blatt zeigt ein Stadium fortschreitender Aufdeckung von einigen Karten. Ich zeige den Kindern im Kreis in der Pausenhalle stehend Schritt für Schritt einen Ausdruck nach dem anderen und bitte sie, zu raten, was das wohl für ein Foto sein könnte, das da nach und nach sichtbar wird. Wer es weiß, soll aufzeigen aber nichts verraten. Erwartungsgemäß erkennen schon viele Kinder nach der ersten “Aufdeckung” das Zebra. Nach der Auflösung erkläre ich den Kindern die Benutzersicht des angestrebten Dalli-Klick-Spiels. Und ich erkläre, dass wir jetzt zwar kein Zebra fotografieren können, aber natürlich auch auf dem Schulhof gute Motive finden, die man erraten soll.
Obwohl ich mit der Dalli-Klick-Gruppe mit etwa 10 Kindern den kleineren Teil der Klasse “abbekommen” habe, ist die Aufgabe, die Kinder, die auf dem Schulhof mit dem Tablet in der Hand von Motiv zu Motiv eilen, zu koordinieren nicht einfach. Es geht zum Glück kein Tablet zu Bruch - hier und da sind ermahnende Worte erforderlich, dass dies keine Zusatzpause ist, in der man sich mit dem Tablet mal eben auf die Schaukel setzt. Einige Kinder testen ausgiebig aus, wie weit sie bei mir, dem Nicht-Lehrer, bei der Nichtbeachtung meiner Vorgaben gehen können. Keine einfache Lernsituation, aber nach 20 Minuten sind die Fotos “im Kasten” und wir sitzen wieder im Klassenraum.
Zurück in der Klasse erarbeite ich zusammen mit der Klasse das recht einfache Programm. Wichtig ist, dass zuerst eine rechteckige Karte komplett ausprogrammiert werden soll, bevor diese x-fach kopiert wird. Nachher in der Arbeitsphase wird klar, das über die Hälfte der Kinder dennoch zuerst Kopien des ersten Rechtecks anfertigt und danach erst über das Programm für das Rechteck nachdenkt. Die betreffenden Kinder müssen erkennen, dass sie erst einmal wieder alle Rechtecke bis auf eines löschen müssen. Häufig verweise ich auf das Arbeitsblatt, auf dem die einzelnen Arbeitsschritte in der richtigen Reihenfolge angegeben sind. Kopieren kommt erst bei Punkt 6!
Da durch die im vorigen Absatz genannten Umwege natürlich Zeit verloren geht, kommen die Kinder in der Doppelstunde nicht bis zum Ende. Zwei vollständige Level schaffen nur zwei Kinder, allerdings noch ohne die Verschönerung, dass die Karten bei Betätigung des roten Punkts mit unterschiedlicher Zeitverzögerung “wegploppen”. Die Kinder werden in den kommenden Tagen weiter an dem Programm arbeiten. Ziel ist etwa ein Programmablauf mit Start- und Ende-Bild wie folgt:
Durchführung und Erfahrungen “Suchbild”
In der Suchbild-Gruppe treten zwei Aspekte hervor, die den Kindern Schwierigkeiten bereiten. Und diese haben erst einmal nichts mit der Programmierung zu tun.
Zum einen müssen sich die beiden Kinder eines Paares einigen, wie das gemeinsame Bild aussehen soll. Die Kinder verfolgen verschiedene Strategien (durchsetzen, unterordnen, Kompromiss, …). Echt kooperative Strategien beobachten wir erwartungsgemäß kaum. In einigen wenigen Teams klappt es gar nicht, weil die beiden beteiligten Kinder in keinster Weise auf ihr Gegenüber eingehen wollen. Für den Lehrer ist dies eine ideale Gelegenheit, mit den Kindern konkrete Verfahren der Konfliktregelung zu erproben. Die Beobachtung, dass nach und nach diejenigen Teams gut voran kommen, die zu einer guten Zusammenarbeit gefunden haben, während das eigene Team noch in Zankerei verharrt, ist vielleicht frustrierend aber sicher auch notwendig, um gute Zusammenarbeit als erstrebenswertes Ziel im Verhaltensrepertoire der Kinder nachhaltig zu verankern.
Der zweite Aspekt, der Schwierigkeiten bereitet, ist das genaue Hinsehen. Die beiden Bilder auf den beiden Tablets müssen wirklich exakt gleich sein. Wenn das Pferd auf dem einen Bild nach links und auf dem anderen nach rechts schaut, ist das nicht egal. Oder wenn die Größen und Positionen der verwendeten Figuren nicht exakt übereinstimmen. Nicht alle Kinder bringen die Ruhe auf, genau und präzise zwei identische Bilder zu produzieren. Die Ungenauigkeiten, die der Lehrer während der Arbeitsphase entdeckt, bespricht er direkt mit den Kindern. Nicht immer stößt er auf offene Ohren. “Die sind doch fast gleich” wird geäußert, wenn der Lehrer zwei Schweine unterschiedlicher Größe auf zwei Tablets bemängelt. Der Lehrer ist offenbar kein vertrauenswürdiger Testnutzer. In der abschließenden Phase, in der Kinder der Dalli-Klick-Gruppe die Suchbilder ausprobieren dürfen, gerät das Feedback der Testnutzer wenig diplomatisch, dafür umso wirkungsvoller. Wenn ein drittes Kind augenscheinlich das größere Schwein für einen anzutippenden Fehler hält, dann muss da ja doch was dran sein … Das Feedback der Mitschüler zum Suchbildspiel macht sehr wirkungsvoll klar, dass es wirklich auf Exaktheit ankommt. In anderen, ScratchJr-fernen schulischen Lernsituationen ist es erfahrungsgemäß schwieriger, zu exaktem Hinsehen und exaktem Formulieren oder Gestalten zu motivieren.
Auch die Suchbild-Gruppe ist nicht fertig geworden. Es sind einige gute Werke dabei, die allerdings noch einen letzten Schliff benötigen. Diesen sollen die Kinder in den kommenden Tagen anbringen können.
Nächste Schritte
Die heute ausgeteilten Arbeitsblätter wurden in beiden Gruppen aus unserer Sicht viel zu wenig von den Kindern als Arbeitshilfe genutzt. Wir erwägen diesbezüglich in den zukünftigen Stunden eine kleine Änderung. Das Arbeitsblatt wollen wir schon Tage vorher ausgeben und die Kinder beauftragen, es im Vorfeld zu lesen. Nur Kinder, die das Blatt gelesen haben und aufgabenbezogene Fragen beantworten können, dürfen dann mit dem Tablet arbeiten.
In der nächsten Woche fällt unsere ScratchJr-Stunde aus schulorganisatorischen Gründen aus. In zwei Wochen wollen wir uns bereits an die nächsten Spiele wagen, die beim Schulfest präsentiert werden sollen.