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Programmieren für Kindergartenkinder und Grundschulkinder der Klassen 1 und 2 - wozu soll das gut sein? Hier führen wir Tagebuch zu einem Einsatz von ScratchJr in einer zweiten Grundschulklasse. Wenn wir damit interessierte Schulen und Lehrer für dieses Thema begeistern können, sind unsere Erfahrungen vielleicht bei einer Wiederholung des Projekts in einem neuen Kontext nützlich. Die Tagebuch-Einträge enthalten Download-Links für alle verwendeten Materialien. Vorlagen und Arbeitsblätter sind auch unter der Rubrik Downloads verfügbar.

Der große Zauberer Zampano

Im ersten Tagebucheintrag erläutere ich die Hintergründe des Projekts C4C, in dem wir ScratchJr in einer 2. Grundschulklasse einsetzen, um mit den Kindern an verschiedenen Lernzielen zu arbeiten.

In diesem Beitrag beschreibe ich den Ablauf der zwölften Stunde.

Vorbereitung

Schon für die letzte Stunde hatten wir ein Projekt mit dem Zauberer Zampano vorbereitet. Mit diesem Projekt arbeiten wir heute:

(Videodownload: hier)

Die zugehörigen Programme sind:

Von den beiden Hasen-Programmen gehört das erste zum rechten Hasen und das zweite zum linken.

Eine kleine Änderung nehmen wir nun noch vor: der rechte Hase soll mit einem leisen “plopp” verschwinden. Dazu nutzen wir den entsprechenden grünen Baustein, den wir hier als Ersatz für den Warten-Baustein einsetzen. Das neue Programm des rechten Hasen ist das folgende:

Zusätzlich haben wir ein Arbeitsblatt (hier zum Download) vorbereitet:

Schreibübung am Vortag

Die zwölfte Lektion verteilt sich auf zwei Tage. Wir beginnen am Vortag der eigentlichen ScratchJr-Stunde mit einer Schreibübung. Das oben vorbereitete Arbeitsblatt soll von den Kindern ausgefüllt werden. Bei der Schreibübung war ich selbst nicht zugegen und berichte vom Hörensagen.

Der Lehrer beginnt frontal damit, das Zauberer-Projekt noch einmal im Vollbildmodus vorzuführen und mit den Kindern gemeinsam zu rekapitulieren, was in diesem Projekt passiert:

  • Der Zauberer sagt seinen Zauberspruch auf, den die Kinder gemeinsam ablesen und laut aufsagen
  • Der Hase wartet darauf, angetippt zu werden
  • Wenn er angetippt wurde, springt er hoch und verschwindet
  • Der Zauberer sagt den zweiten Zauberspruch auf, den die Klasse laut mitliest.
  • Der zweite Hase erscheint und springt.

Der Lehrer fragt, wie dieses Verhalten wohl programmiert werden kann. Einige Kinder wissen es: es sind zwei Hasen beteiligt. Der Lehrer zeigt den Kindern das Programm in allen Einzelheiten und erläutert es. Er lässt das Programm im Normalmodus (nicht Vollbild) laufen und lenkt die Aufmerksamkeit auf den Programmbereich, in dem die gerade aktiven Bausteine aufleuchten. Dieser Blick auf das Programm “hinter den Kulissen” ist eher Vorbereitung für morgen und hat mit der nun folgenden Schreibübung höchstens als Kontrastierung zwischen Schriftsprache und Programmiersprache zu tun, was aber nicht thematisiert wird.

Bis hier hat die Einführung ca. 20 Minuten gedauert. Nun erklärt der Lehrer das Arbeitsblatt. Die Aufgabe steht drauf: Schreibe eine kurze Geschichte über den Zauberer und seinen Zaubertrick. Die Arbeitsblätter werden verteilt und die Kinder schreiben eine Geschichte.

Die entstandenen Geschichten variieren in ihrer Qualität. Einige Kinder haben lediglich die Sätze der wörtlichen Rede jeweils neben das Bild geschrieben, also Ich bin der große Zauberer Zampano! neben das erste Bild, Ri-ra-reck, der Hase sei nun weg! neben das zweite Bild und Reck-ri-ra, der Hase sei nun da! neben das dritte. Andere Kinder haben wirklich beschrieben, was zu sehen ist, also etwa Der Zauberer Zampano will einen Hasen wegzaubern. und Der Hase verschwindet. und Der Zauberer zaubert den Hasen herbei. Die Schreibübung endet am Ende der regulären Schulstunde nach ca. 45 Minuten.

Geburtstagsgeschenk “Tablet”

Heute, an unserem regulären “ScratchJr-Tag”, beginnt der Tag wie immer mit projektfremden Ritualen im Stehkreis. Eine Besonderheit heute ist, dass ein Kind Geburtstag hat. Nach dem von der Klasse vorgetragenen Geburtstagsständchen berichtet das Kind vom heutigen Tagesbeginn. Gefragt, was es geschenkt bekommen hat, antwortet es, dass es sich ein Tablet gewünscht hat und schon weiß, dass es dieses bekommen wird. “Boah toll!” und “Echt?” höre ich andere Kinder staunen.

Einführung

Anschließend versammeln sich die Kinder auf Teppichfliesen kniend im Halbrund vor der Beamerprojektion. Dort ist im Vollbildmodus das Zauberer-Projekt zu sehen. Der Lehrer fragt in die Runde, wer noch einmal beschreiben kann, was in diesem Projekt passiert. Die Klasse ist noch nicht ganz wach. Mühsam werden die Bruchstücke der Geschichte zusammen getragen. Dann lässt der Lehrer das Programm im Vollbildmodus laufen. Ohne Aufforderung spricht die Klasse im Chor den Text des Zauberers wie ein Gebet. Sie hat offensichtlich Spaß an diesen Zaubersprüchen - jetzt sind sie langsam wach smiley .

Der Lehrer wiederholt mit Unterstützung der Kinder, was sie gestern über das notwendige Programm gelernt haben. Wir beginnen damit, dass es sich um zwei Hasen handelt und dass das Programm des ersten Hasen mit dem “Start bei Antippen”-Baustein ontap beginnt. Und woher weiß der zweite Hase, dass er auftauchen soll? Wir sehen uns das Programm des zweiten Hasen an, welches mit dem “Nachricht empfangen”-Baustein messagereceivered beginnt. Aha. Ein Kind schlußfolgert, dass der erste Hase dem zweiten Hasen eine rote Nachricht schicken muss. Zurück im Programm des ersten Hasen stellen wir aber fest, dass der erste Hase eine orangefarbene Nachricht messagesend versendet. Der Lehrer muss noch einmal ermuntern, sich genau zu erinnern, was nach dem Antippen genau passiert ist. Genau, der Zauberspruch muss ja erst noch kommen. Also empfängt der Zauberer die orangefarbene Nachricht und schickt nach Aufsagen des Zauberspruchs die rote Nachricht an den linken Hasen.

Arbeitsphase

Nach dieser etwa 15-minütigen Frontal-Wiederholung begeben sich die Kinder an ihre Plätze. Die Tablets werden ausgeteilt und die Kinder beginnen, das Projekt umzusetzen. In der Beamerprojektion bleibt das Projekt stehen und während der Arbeitsphase nehmen wir immer mal wieder Kinder nach vorne, die vergessen haben, wie das Programm genau ablief und welche Bausteine benötigt werden.

Einige Kinder tun sich schwer damit, den vom Zauberer aufgesagten Text einzutippen. Zum einen ist Rechtschreibung das Problem. Aber auch die Eigenart des Tablets, eingegebene Teilwörter selbst zu englischen Vokabeln vervollständigen, trägt zu Unmut bei. Der Lehrer schreibt den Text noch einmal separat an die Tafel. Dann geht es für viele Kinder leichter.

Weitere Schwierigkeiten, die wir beobachten und durch individuelle Beratung bearbeiten:

  • Manche Kinder programmieren kein Antippen des ersten Hasen, sondern eine Nachricht vom Zauberer an den ersten Hasen.
  • Manche Kinder senden vom ersten Hasen direkt eine Nachricht an den zweiten Hasen.
  • Manche Kinder wissen nicht mehr, wie sie den zweiten Hasen so realisieren können, dass er zu Beginn unsichtbar ist.
  • Einige Kinder wollen wissen, was dieser grüne Baustein pop da vorne in der Beamerprojektion ist und ob sie den auch benutzen sollen.

Nach etwa 20 Minuten Arbeitsphase sind die ersten Kinder fertig. Diese helfen nun entweder anderen Kindern oder verschönern das Programm, indem sie Publikum ergänzen. Unsere in einem Vorgespräch entstandene Idee, das Programm so von den Kindern erweitern zu lassen, dass der Zauberer den linken Hasen nun wieder wegzaubert und an alter Stelle eine Ente auftauchen zu lassen, lassen wir erst einmal beiseite und sparen wir uns vielleicht für eine kommende Stunde auf.

Nach 50 Minuten sind alle Kinder bis auf zwei fertig, wie sich der Lehrer durch Bitte um Handzeichen überzeugt.

Ausblick

Der Lehrer und ich überlegen kurz, ob wir in der nächsten Stunde tatsächlich weiter zaubern lassen (Hase wird zur Ente) oder ob wir den Zeicheneditor für eine Individualisierung des Projekts nutzen wollen. Letzteres probieren wir direkt und spontan einfach mit der Klasse aus. Den Kopf des Zauberers überlagern wir im Zeicheneditor frontal in der Beamerprojektion mit einem Oval, in das wir ein Foto einfügen. Ein Kind darf sein Gesicht vor die Kamera des Lehrernotebooks halten. Ein anderes Kind darf gleichzeitig den Auslöseknopf am Smartboard betätigen. Die Klasse ist hierbei höchst ausgelassen und es gibt lautes Gelächter:

Das Programm wird einmal gestartet und der Lehrer vertont: “jetzt müsste der Spruch eigentlich ja heißen: ich bin die große Zauberin Jasmin”.

Übrigens: alle Fotos in diesem Blog stammen aus öffentlichen Printmedien und nicht aus der Klasse. Verwendete Namen sind fiktiv.

Nun werden auch noch die beiden Hasen verändert:

Das Fotografieren und die Sichtung des laufenden Ergebnisses macht der Klasse großen Spaß und ich finde, es ist eine schöne Belohnung für die für einige Kinder durchaus anstrengende Arbeitsphase. Andererseits beobachten wir, dass das Gelächter teilweise ins Exzessive abdriftet. Wir besprechen nun mögliche negative Wirkungen mit den Kindern. Diejenigen Kinder, die sich haben fotografieren lassen, könnten sich vielleicht ausgelacht fühlen, auch wenn es nicht so gemeint ist. Und dass solltet Ihr im Hinterkopf haben. Appell: Achtet darauf, wie sich die anderen fühlen.

Der Lehrer deutet an, dass wir in der kommenden Stunde das Zauberer-Projekt so oder so ähnlich mit eigenen Figuren abändern wollen. Nach nun insgesamt 60 Minuten beschließen wir die heutige ScratchJr-Stunde.

Verknüpfung mit anderen Fächern

Neben der Programmierung wurden heute fächerübergreifend folgende Aspekte aufgegriffen:

  • Offensichtlich ist die Verknüpfung zum Fach Deutsch. Die Kinder sollten die kurze Zauberer-Geschichte in ganzen Sätzen verbal beschreiben und schließlich verschriftlichen.
  • Das Fach Kunst verschreibt sich unter anderem der Förderung der inhaltsbezogenen Kompetenz “Wahrnehmen” und der prozesspezogenen Kompetenz “Kommunizieren”. Beide Kompetenzen wurden bei der Beobachtung und Beschreibung der Zauberer-Geschichte gefördert.
  • Technik als Hilfsmittel für einen auf den ersten Blick unerklärlichen Zaubertrick konnten die Kinder detailliert erfahren und sogar umsetzen.
  • Zum Schluss haben wir die soziale Kompetenz der Kinder in den Blick genommen und versucht, Sensibilität für ungewollte Konflikte zu fördern.
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